Portrait

Portrait Meta - der Antidiskriminierungchatbot, Gewinner Förderprogramm 2021

Portrait Meta - der Antidiskriminierungchatbot, Gewinner Förderprogramm 2021

Das NETTZ hat 2021 zum vierten Mal zur Teilnahme am Förderprogramm eingeladen. Das Programm wurde 2017 ins Leben gerufen, um innovative Ansätze gegen Hass im Netz zu fördern. 2021 haben es von 42 Bewerbungen 11 Projekte in die engere Auswahl geschafft. Gemeinsam mit unserer Jury und der NETTZ-Community wurden 3 Projekte ausgewählt, die wir finanziell und durch Coachings unterstützen. Der Antidiskriminierungschatbot Meta ist eines davon. Said Haider ist der Gründer von Meta. Im Portrait erzählt er uns von den Schwierigkeiten bei der Namensgebung, den neuesten Projektentwicklungen und den Plänen für die Zukunft.

Hallo Said, wir haben dich im letzten Jahr schon mal interviewt, da hieß Meta noch Q. Was ist in der Zwischenzeit geschehen?

Wir haben den Bot im letzten Jahr von der Zielgruppe selbst testen lassen. Wir wollten einen Eindruck davon bekommen, wo wir stehen. Wie effektiv kann der Bot Betroffene in konkreten Situationen unterstützen? In diesem Jahr wollen wir den nächsten Schritt machen und an die Öffentlichkeit zu gehen. Wir wollen den Chatbot zu einem Produkt entwickeln, das Betroffene von Diskriminierung erreicht

Von dem ursprünglichen Namen „Q“ mussten wir Abstand nehmen, weil uns von verschiedenen Medienexpert*innen gesagt wurde, dass Verschwörungstheorien und -bewegungen wie QAnon das Q verwenden und man den Bot damit in Verbindung bringen würde. Wir haben uns dann für “Meta” entschieden, ein Chatbot der intersektional agiert und allen Ratsuchenden einen Zugang zu Beratung bietet. Nun hat Mark Zuckerberg verkündet, sein Unternehmen von Facebook in Meta umzubenennen, womit keiner von uns gerechnet hat. Alle Guten Dinge sind ja bekanntlich drei und wir freuen uns, bald mit neuem Namen einen Relaunch zu machen. 

Wie hat sich Meta technisch und inhaltlich in den letzten zwei Jahren entwickelt?

Im Moment sind wir dabei das Tool, auf dem Meta basiert, auf ein Open-Source-Tool umzustellen. Damit können wir es noch stärker unseren Vorstellungen anpassen. Im nächsten Schritt wollen wir unbedingt eine künstliche Intelligenz anschließen, sodass Meta noch besser versteht, in welchen Situationen Menschen diskriminiert werden. Bisher ist es so, dass Diskriminierungs-Situationen vorgegeben werden, aus denen Betroffene auswählen können, welche am besten zu ihrer eigenen passt. In Zukunft soll es so sein, dass eine Eingabeleiste erscheint und Betroffene ganz frei ihre Situation eingeben können und Meta dann im Zweifel Rückfragen stellt, z.B., um zu verstehen, wo es passiert ist. Unser Ziel ist es, tatsächlich die erste KI zu entwickeln, die Betroffene von Diskriminierung unterstützt - und nicht diskriminiert. Das andere größere Ziel ist es, Meta perspektivisch auf anderen Plattformen laufen zu lassen. Dazu zählen WhatsApp, Messenger, Instagram, Telegram, und andere Anbieter.

Wie sieht das mit den inhaltlichen Entwicklungen von Meta aus?

Uns war wichtig, erst einmal herauszufinden: Kann ein Chatbot überhaupt eine Lösung sein, funktioniert das? Daran konnten wir mittlerweile einen Haken setzen: Unser Ansatz ist effektiv. Dann haben wir uns die Frage gestellt: Wie schaffen wir es, diese Lösung in ein Produkt zu übersetzen, also etwas, dass sich Betroffene z.B. als App herunterladen können? Der Weg vom Prototypen zum Produkt ist für eine zivilgesellschaftliche Organisation eine ziemliche große Herausforderung, die vor allem mit der Akquise von Fördermitteln und fehlenden Ressourcen zu tun hat.

Zum Marketing; im letzten Jahr haben wir für unsere Kommunikationsstrategie herausgefunden, dass „Kennst du deine Rechte?" als Ansprache zu uns passt. Warum? Weil das den Bedarf und unser Lösungsangebot am besten widerspiegelt. Wir haben versucht, eine Kommunikation zu entwickeln, die uns im Team auch persönlich anspricht und an der man nicht vorbeikommt.

Bei der Frage „Kennst du deine Rechte?“ haben wir uns im Team alle angeguckt und gedacht: wir kennen unsere Rechte nicht!
Said Haider
Social Entrepreneur

Wir haben vor allem durch den Hackathon Update Deutschland nochmal Schwung bekommen und Designer*innen sowie Kommunikationsexpert*innen dazugewonnen. Update Deutschland ist die Fortsetzung von Wir vs. Virus, wo an einem Wochenende viele engagierte und technikaffine Menschen zusammengekommen sind, um gesellschaftliche Herausforderungen anzugehen. In diesem Zusammenhang haben wir Meta als bestehende Lösung eingebracht und sehr viel Zuspruch von Expert*innen bekommen. Wir haben neue Mitglieder gewinnen können, die nun mit an Meta arbeiten. Update Deutschland war ein wichtiger Schritt für uns. Und: Ich habe gegründet. So habe ich den juristisch-rechtlichen Unterbau für Meta gesetzt, damit wir perspektivisch Fördermittel einwerben dürfen. 

Ein Prototyp des Bots ist ja bereits online. Wird Meta schon genutzt?

Wir haben uns für 2021 das Ziel gesetzt, 100 Leute zu erreichen. Wir gehen jetzt auf die 1000 zu. Zur Einordnung: die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat 3500 Fälle in einem Jahr gehabt. Wir hatten in 16 Wochen fast 1000.

Wow, das ist sehr beeindruckend! Und was macht ihr mit den Fällen?

Teil des Konzeptes ist es, die Meldungen jährlich zusammenzufassen und in einem Meta-Report zu veröffentlichen, um Auskunft über das Diskriminierungsklima in Deutschland zu geben. Über eine Heatmap könnte man sehen, wo Diskriminierung besonders häufig auftritt – nicht nur örtlich, sondern vor allem in welchen Situationen Menschen betroffen waren.

Das klingt sehr spannend. Was sind eure langfristigen Pläne?

Ziel ist es, Meta perspektivisch zu einer App zu entwickeln, weil wir Betroffene über einen längeren Zeitraum begleiten möchten. Diskriminierungen erfolgen nicht nur punktuell, sondern gerade in intensiven Situationen erstrecken sich Diskriminierungsfälle über einen längeren Zeitraum. Außerdem ist es uns wichtig, dass wir auf die Bedürfnisse der Betroffenen eingehen können. Dazu zählen eben nicht nur juristische Informationen, sondern auch psychologische Unterstützung.

Das Ziel ist, dass ich irgendwann in die U-Bahn steige und dann beim zufälligen Blick über die Schulter jemanden dabei erwische wie sie/er Meta bedient, ihren Fall klärt oder über Handlungsmöglichkeiten aufgeklärt wird. Dann kann ich mir sagen: ok, wir haben es geschafft!

Meta ist unter den Gewinner*innen unseres Förderwettbewerbs 2021. Wie genau hilft euch die Förderung bei der Umsetzung der Pläne für Meta?

Das NETTZ ist seit seiner Gründung zu einer der führenden Organisationen zum Thema Hate Speech und zur Dialogkultur im Netz geworden. Mit der Förderung durch Das NETTZ haben wir einen Legitimitätszuwachs bekommen, also eine Art Gütesiegel.
Said Haider
Social Entrepreneur

Zum Anderen haben wir bisher alle Ausgaben aus eigener Tasche finanziert. Das betrifft sowohl die Technik und Wartungskosten, sowie das gesamte Designkonzept der Webseite, Hosting etc. Die Förderung ermöglicht es uns, in Zukunft diese Kosten nicht mehr alleine stemmen müssen. Außerdem haben wir nun die Möglichkeit, Zukunftsinvestitionen zu tätigen. Dazu zählt gerade das Testen von weiteren Zugangskanälen (beispielsweise WhatsApp u.a.). 

Wie planst du, Menschen zu erreichen, die Meta noch nicht kennen?

Wir planen Kampagnen auf den jeweiligen Plattformen, auf denen es Meta geben wird. Das heißt, dass wir beispielsweise gezielt auf Instagram Werbung schalten, um Betroffene zu erreichen. Wir wollen sukzessiv von Plattform zu Plattform wachsen und die Zielgruppen mitnehmen. Wir wollen dort sein, wo sie sich aufhalten: auf Social Media. Die sozialen Medien bieten auch Schutzräume für Betroffene und dort möchten wir präsent sein.

Mit technologischen Angeboten wie Meta verändert sich die Antidiskriminierungsarbeit. Wo seht ihr euch innerhalb des Arbeitsfeldes? Und was wünscht ihr Euch von den anderen Akteur*innen, z.B. den Antidiskriminierungsberatungen?

Es gibt ein Beratungsdefizit. Das heißt für die allermeisten Betroffenen gibt es dort, wo sie leben, keine Beratungsstellen. Auf sie zu verweisen ist also nur dort möglich, wo es auch ein Angebot gibt. Durch das Erfassen der Fälle wollen wir deutlich machen, wo es Bedarf gibt und wo es auf jeden Fall Beratung geben muss. Diese Informationen möchten wir Beratungsstellen zur Verfügung stellen, damit sie besser für mehr Angebote argumentieren können. Im Moment fehlt es ihnen an statistischem Material.

Solange es kein flächendeckendes Netzwerk an Beratungsstellen gibt, müssten wir schauen, ob es nicht auch alternative Wege gibt, um Betroffene zu erreichen. Die Idee Anwält*innen zu finden, die pro Bono jeweils ein paar Fälle übernehmen, wäre eine Lösung, um relativ schnell das Beratungsdefizit zu schließen.

Eine andere Möglichkeit wäre zu schauen, ob Jura-Student*innen für das Thema gewonnen werden können. Diese haben zwar nicht die Erfahrungen und Möglichkeiten von Anwält*innen, allerdings haben wir in den Refugee Law Clinics gute Erfahrungen im Zusammenspiel zwischen Anwält*innen und Studierenden gemacht. Es wäre denkbar, dass die Law Clinics, die sich eigentlich auf Geflüchtete spezialisiert haben, vielleicht durch die Anzahl an zugespielten Fällen, neben Aufenthaltsrecht auch einen Fokus auf Antidiskriminierungsrecht setzen.  

Welche weiteren Partnerschaften wünscht sich Meta für die Zukunft?

Ich glaube der ganz große Wurf wäre es, wenn wir mit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes in eine Kooperation gehen könnten, weil sie eine deutschlandweite Telefonberatung anbieten. Es wäre eine Überlegung, dort anzuklopfen und zu schauen, wie wir kooperieren könnten.

Und im Sinne der technischen Partnerschaften?

Wir stehen im Moment mit unterschiedlichen Tech-Konzernen in Kontakt. Bevorzugt möchten wir mit jenen arbeiten, die Open-Source-Technologien anbieten, weil es unserem Ansatz von Technologie, die dem Allgemeinwohl dient, am ehesten entspricht. Dort sind wir im Gespräch und hoffen, in Zukunft festere Partnerschaften einzugehen.

Wie groß ist eigentlich das Team hinter Meta?

Mittlerweile sind wir ein 11-köpfiges, diverses Team aus Betroffenen, die die Sache selbst in die Hand nehmen und Meta erschaffen haben.
Said Haider
Social Entrepreneur

Wie kann man euch sonst noch unterstützen?

Im Moment ist der Sprung vom Prototyp zum Produkt tatsächlich der zentrale Punkt. Der gelingt vor allem dann, wenn wir die ehrenamtlichen Strukturen, die wir aufgebaut haben, in hauptamtliche Strukturen überführen. Die Idee ist getestet und das Konzept ist da. Jetzt braucht es noch mehr Mittel, um tatsächlich das Produkt zu entwickeln und die Zielgruppe zu erreichen.

Möchtest du sonst noch etwas loswerden?

Ich kann nicht oft genug betonen, wie wichtig Hackathons sind. Wenn ich damals (2018) nicht an dem Hackathon von Das NETTZ teilgenommen hätte, dann hätten sehr viele Komponenten gefehlt, um einen Antidiskriminierungschatbot zu entwickeln.
Said Haider
Social Entrepreneur

Ich halte es für unfassbar wichtig, dass im sozialen Sektor viele Hackathons angeboten werden, damit kreative Konzepte entstehen. In der freien Wirtschaft werden Techniker*innen bezahlt, um Digitalisierung vorzunehmen. Im sozialen Kontext fehlen uns diese Ressourcen. Hackathons sind ein probates Mittel, diese Ressourcen für ein oder zwei Tage auszuleihen. Wir brauchen mehr davon! Es müsste eigentlich Teil des Curriculums für alle Studierenden sein, egal ob in Rechts- oder Geisteswissenschaften. Wir durchlaufen eine digitale Transformation und Hackathons sind ein Ort, wo man diese Transformationen im Mikrokosmos beobachten kann.

Foto Emine Aslan
Autor*in

Emine Aslan

(-/-) Online-Redakteur*in

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