Portrait

Portrait Ouassima Laabich-Mansour: "Es gibt keine Schublade, in die ich passe"

Ouassima Laabich-Mansour lächelnd an einem Kaffeetisch
© Ouassima Laabich-Mansour

Ouassima Laabich-Mansour ist Referentin, Community Organizerin und Expertin in den Themenbereichen Rassismuskritik, antimuslimischer Rassismus, Ehrenamtsmanagment, (inklusive, rassismuskritische) Jugendarbeit und -politik, Partizipation und Public Policy. Auf dem NETTZ Community Event 2020 (CE20) sprach sie als Expertin zu Antidiskriminierung in der Fishbowl-Diskussion. 

Die Fragen stellten Antonia Zuleger und Hanna Gleiß.

Du leitest mit anderen Mitstreiter*innen eine Mädchen- und Junge-Frauen-Gruppe von und für Muslim*innen: Welche Rolle spielt Empowerment in einer antirassistischen Bewusstwerdung und Arbeit?

Wir treffen uns wöchentlich, vor Corona analog, nun digital und weiterhin vital. Einen geschützten Raum zu haben, in welchem die eigenen Narrative und Erfahrungen weder hinterfragt noch angefeindet werden, ist für rassifizierte Personen unglaublich wichtig. Zu sein, zu sprechen, zu erleben, Freund*innenschaften zu knüpfen und eigenes Potenzial entfalten zu können, das ist Kern unserer/meiner Arbeit. Das bedeutet dann auch, über eigene, intersektionale, Rassismus- und Sexismuserfahrungen sprechen zu können, aber eben auch nicht das als einzigen Fokus zu nehmen. 

Das heißt, sich spirituell, politisch, sozialgesellschaftlich und künstlerisch zu entfalten - im Grunde genommen zu fokussieren, wer wir sind und sein wollen und nicht ‚wer wir nicht sind‘. Im (antimuslimischen) Rassismus passiert ja genau das, es geschieht ein Einschnitt in die Träume, Visionen und Leidenschaften von rassifizierten Menschen, die in Kategorien eingeteilt werden und bestimmen (wollen), wo Grenzen des Möglichen bestehen. Hier entstehen, durch empowernde und geschützte Räume, Interventionen mit eben jenen Zuschreibungen: ein Aufbrechen konstruierter Grenzen.

Welches Feedback bekommst du von den teilnehmenden Frauen?

Das Feedback der Teilnehmenden ist großartig. Vor allem die eigene Gestaltungskraft zu entfalten, aktiv das Programm und die Freizeitaktionen mitzubestimmen, Produzentin des Raumes und ein wichtiger Bestandteil zu sein, das gibt Kraft und bedeutet ihnen und mir viel. Auch Zugänge zu schaffen und darüber zu sprechen, welche Bildungs- und Berufswege es geben kann, Stipendienmöglichkeiten aufzuzeigen, über Körperpolitiken zu sprechen und zu wissen, dass die eigene Stimme nicht nur gehört wird, sondern in Entscheidungsprozesse eingegliedert wird, ist eines der vielen positiven Rückmeldungen. Dass Freund*innenschaften geknüpft und vertieft, neue Perspektiven kennengelernt werden können und somit Community entsteht, ist wunderbar.

Du hast als Speakerin schon auf vielen Podien gesprochen. Welche Bühne würdest du gerne als nächstes besteigen?

Gute Frage, ich bin generell offen für Austausch, gegenseitiges Lernen und das Imaginieren positiver Zukunftsbilder. Ich kann mir gut vorstellen, in die Gründer*innenszene einzusteigen mit den Ideen, die ich habe und meine ‚Macherin-Seite‘ zu stillen. Gleichzeitig liebe ich die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Themen, die mir am Herzen liegen und sehe mich eben zukünftig auch als Wissenschaftlerin und Impulsgeberin. 

Es gibt keine Schublade, in die ich passe (Gott sei Dank), dementsprechend bleibe ich weiterhin offen für Anfragen und Projekte, die mich begeistern können und zum Ziel haben, zu bewegen und Dinge strukturell zu verändern. Das hat bisher ganz gut geklappt. Was mir aber immer wichtiger sein wird als die Bühnen an sich ist die Arbeit am und mit dem Menschen, grassroot-based. Wenn eine Bühne diesem Unterfangen hilft, betrete ich sie gerne und gestalte sie mit meinen Perspektiven mit oder kreiere sie gänzlich neu.

Ouassima als Podiumssprecherin
© Hertie School of Governance / Ouassima Laabich-Mansour

Was sind aus Deiner Sicht derzeit die größten Herausforderungen beim Umgang mit antimuslimischer Hassrede im Internet? 

Rassistische und diskriminierende Äußerungen, getarnt als Meinungen, sind absolut salonfähig geworden. Menschen trauen sich alles zu sagen und zu schreiben (mit Klarnamen) was eine gruselige Entwicklung ist, wie ich finde. Für Betroffene ist das sehr belastend und eine Kunst, diese zu ignorieren und nicht dem Drang nachzugehen, darauf einzugehen. Eine große Herausforderungen ist es, dass für viele die Grenzen dessen was ‚Meinungen‘ sind und dessen, was klare Hass- und Hetzrede ist, zu unterscheiden und somit selbst zu intervenieren.

Für meine eigene mentale Gesundheit habe ich schon lange beschlossen, Kommentare zu ignorieren und am besten gar nicht erst zu scrollen. Was ich aber klar befürworte und selbst praktiziere, ist das Anzeigen von sexistischen, rassistischen und diskriminierenden Äußerungen, die getätigt werden. Es ist ein Zeichen dagegen – mit den rechtlichen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen. Es zeigt: Wir (meint eben auch Nicht-Betroffene als Allies) können und wollen aktiv dagegen vorgehen. Ein klares Nein, nicht hier, nicht mit uns und erst recht nicht so!
Ouassima Laabich-Mansour
Expertin für antimuslimischen Rassismus

Neben diesen Aktionen müssen die (analogen) Initiativen und Aktivitäten von Organisationen weiter gestärkt und gefördert werden, die Antirassismus und Empowerment Arbeit leisten. Es geht darum weiterhin an den Ursachen zu arbeiten und nicht nur Symptome zu behandeln und hierbei stets die Betroffenenperspektiven zu fokussieren.

Möchtest du uns noch etwas mitteilen?

Ohne pathetisch klingen zu wollen, aber immer wieder sich vor Augen zu führen, dass jede*r etwas auf der individuellen und zwischenmenschlichen Ebene tun kann:

Intervenieren, wenn am Küchentisch rassistische und diskriminierende Äußerungen getätigt werden, oder ich Zeug*in einer rassistischen Tat werde, Power-Sharing zu betreiben, da wo ich arbeite und wirke, sich für Inklusion und Antirassismus aktiv einzubringen und die eigene Comfortzone verlassen zu wollen.
Ouassima Laabich-Mansour
Expertin für antimuslimischen Rassismus

Und das muss neben der strukturellen und institutionellen Bekämpfung von Rassismus in Deutschland passieren - hier fehlt es noch teilweise an der Anerkennung dessen, aber da sind tolle Organisationen und Initiativen dran, Advocacyarbeit zu leisten. Die Arbeit muss weitergehen, auch wenn sie hart ist und weh tut - aber die Arbeit am und mit dem Menschen ist noch nie leicht gewesen. 

Foto Hanna Gleiß
Autor*in

Hanna Gleiß

(sie/ihr) Co-Gründerin / Co-Geschäftsführerin


 

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