Said Haider und die Story hinter Q'
Said Haider ist ein Social Entrepreneur. Er entwickelt gerade einen Chatbot, der von Diskriminierung Betroffene über ihre Rechte informiert, einen Antidiskriminierungschatbot namens Q’. Barbara Djassi hat ihm dazu ein paar Fragen gestellt.
Der Buchstabe Q ist ja im Moment vor allem in sozialen Medien, aber auch auf der Straße äußerst präsent. Ich schätze, der Bot hat nicht allzu viel mit Verschwörungsmythen zu tun. Verrätst du mir zuerst, wofür das Q steht?
Der Bot sollte einen genderneutralen Namen haben und gleichzeitig die Neugierde beim User wecken, sich auf etwas Neues einzulassen. Q’ ist im deutschen Sprachgebrauch ein weniger präsenter Buchstabe und bringt eine gewisse Andersartigkeit, obgleich er uns vertraut ist.
Und was wird der Chatbot tun?
Ein zentrales Dilemma bei Diskriminierung ist, dass es zwar rechtliche Diskriminierungsverbote gibt, aber Betroffene diese nicht kennen. Q’ wird Betroffene z.B. über das Handy in wenigen Schritten informieren, welche rechtlichen Handlungsmöglichkeiten bestehen und welche Fristen dafür zu beachten sind.
Q’ wird aber nicht nur einen Zugang zu Recht und Information bieten, sondern auch die Möglichkeit eine kostenlose Beratungsstelle in nächster Nähe zu finden oder einfach den Vorfall anonym zu melden.
Zum Ende des Jahres wird Q’ alle Meldungen auswerten und Antidiskriminierungsorganisationen zur Verfügung stellen. Es gibt tatsächlich Bundesländer, die Maßnahmen gegen Diskriminierung ablehnen mit der Behauptung, es gäbe keine Diskriminierungen in ihrer Region. Mit den Meldungen über Q’ kann man dem Fakten entgegen bringen und der Forderung Maßnahmen zu finanzieren Nachdruck verleihen.
Planungsgemäß wird Q’ im nächsten Jahr online gehen, erst einmal nur auf Deutsch. Um auch sprachliche Barrieren zu überwinden, möchten wir dann sukzessive weitere Sprachen anbieten.
Es ist nicht unbedingt naheliegend, Antidiskriminierungsarbeit mit Digitalisierung zu verbinden. Man denkt da zunächst an mehr Menschlichkeit, die in unserer Gesellschaft wünschenswert wäre. Überlassen wir die Umsetzung unserer im Grundgesetz festgeschriebenen Werte jetzt Robotern?
Verlockend, aber unsere Verfassung muss ein Wertekonsens zwischen Menschen bleiben. Chatbots wie Q’ können aber als Medium genutzt werden um Barrieren zu überwinden, die Bürger*innen bei der Wahrnehmung ihrer Rechte haben. Die Informationen, die Q’ anbietet, können jetzt schon im Internet nachgelesen werden. Er hilft in der Flut an Informationen, die es im Netz bereits gibt, die für den jeweiligen Fall Passende zu finden.
Du beschäftigst dich schon länger mit digitalen Lösungen und warst einer der Teilnehmer*innen beim Hack Day for Good, den Das NETTZ im Juni 2018 veranstaltete. Und das war nicht der einzige Hackathon, an dem du teilgenommen hast. Letztes Jahr hast du selbst Hack 4 Justice umgesetzt. Das Format scheint dich zu begeistern.
Total! Im Sozialen Sektor, der sich die raren und teuren ITler*innen nicht leisten kann, bieten Hackathons eine Chance in kurzer Zeit förderfähige Konzepte aufzusetzen und ein Gespür dafür zu bekommen, was die Grenzen und Möglichkeiten der Technologie sind.
Es gibt auch im sozialen Bereich den Mythos, dass durch die Digitalisierung Arbeitsplätze wegfallen. Diese Sorge kann man sehr einfach mit Hackathons auflösen und deutlich machen, dass die Wirkung sozialer Arbeit vielmehr verbessert werden kann, in dem die Technologie als Medium eingesetzt wird.
Ich würde mir in den nächsten Jahren mehr Hackathons wünschen, die in mehrtägige Veranstaltungen eingebunden werden. So kann man auch Menschen, die nicht technologieaffin sind, an das Thema Digitalisierung in der sozialen Arbeit heranführen.
Mein erster Hackathon war 2018 der Hack Day 4 Good von das NETTZ und er hat mich dazu inspiriert selbst einen Hackathon zu initiieren. Ich bin schon auf den nächsten Hackday von euch gespannt.
Der nächste NETTZ Hack Day steht direkt vor der Tür. Du bist natürlich herzlich eingeladen dabei zu sein. Nach so einem Marathon sind viele tolle Ideen geboren. Aber danach braucht man noch ordentlich Ausdauer und Geduld. Wir freuen uns besonders, dass du eine Förderung gefunden hast und deine Idee verwirklichen kannst. Erzähl mir ein bisschen davon, wie der Weg bisher aussah. Welche Hürden musstest du überwinden und was hat dir geholfen?
Ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass die Idee einen Chatbot in der Antidiskriminierungsarbeit einzusetzen, von Expert*innen abgelehnt wird. Tatsächlich haben sich die Expert*innen aber mit mir an das Konzept gesetzt und mich unterstützt, die Idee weiterzuentwickeln, weil sie begeistert waren. Die erste Hürde war vielmehr die Frage der Finanzierung, bei der ich glücklicherweise meine Erfahrungen im Schreiben von öffentlichen Anträgen einbringen konnte. Ohne Vorerfahrung im Verfassen von Projektskizzen ist man noch mehr auf die Unterstützung anderer angewiesen. Daher kann ich nicht oft genug betonen, dass ein breites Unterstützer*innennetzwerk fundamental ist, um an Hürden nicht zu verzweifeln.
Was würdest du dir wünschen, wenn du nochmal so ein Projekt anschieben würdest?
Anders als in der For-Profit-Start-Up Szene, hat mir als soziales Start-Up der Austausch zu anderen Projekten gefehlt, die vergleichbare Herausforderungen zu bewältigen haben. Öffentliche Förderungen bringen ganz eigene Anforderungen, die nicht immer mit den Standards der technologischen Entwicklung zusammenpassen. Bei sozialen Vorhaben muss der Projektstand bis ins kleinste Detail vor dem Beginn der Förderung feststehen, während das agile Arbeiten von Entwickler*innen viel mehr Flexibilität erfordert. Als Gründer ist es dann ein Kommunikationsspagat zwischen allen Beteiligten zu vermitteln.
Ob digital oder analog – wo hakt es im Bereich Antidiskriminierungsarbeit und wie siehst du die Situation in Anbetracht der politischen Lage?
Es macht mich nachdenklich, dass die Black Lives Matter Bewegung aus den USA und die Polizeigewalt gegen Afro-Amerikaner*innen das Thema Diskriminierung und Rassismus in Deutschland auf die Agenda von Politik und Gesellschaft gesetzt haben. Die Morde durch den NSU und die Verstrickung von Sicherheitsbehörden in Rechtsextremismus hätten der eigentliche Auslöser für mehr Maßnahmen gegen Diskriminierungen und Rassismus in Deutschland sein sollen.
Durch Q’ habe ich einen Eindruck über die analoge Antidiskriminierungsarbeit bekommen und habe mit Schrecken feststellen müssen, dass es zu wenig Beratungsstellen gibt und die bestehenden Beratungsangebote nicht ausreichen, um Betroffene von Diskriminierung zu unterstützen. Ich bin gespannt, welche Entwicklung die nächsten Jahre bringen und versuche optimistisch zu bleiben.
Welche Unterstützung kannst du im Moment und in Zukunft gebrauchen?
Im Moment ist meine nächste Hürde eine Finanzierung für 2021 zu finden. Meine derzeitige Förderung läuft noch bis zum Ende des Jahres und in Zeiten von Covid-19 fällt es mir gerade schwer, meine Netzwerke in die Finanzierungssuche einzubinden. Also, hat wer Geld über oder kennt Förderausschreibungen für Q’? Bitte bei mir melden :)