Statement

Zum Koalitionsvertrag der neuen Ampelkoalition

Demokratiefeindlichkeit, Zivilgesellschaft und Engagement

Mit dem Satz „Rechtsextremismus ist derzeit die größte Bedrohung unserer Demokratie“ (S. 107) beginnt der Abschnitt zum Thema Kampf gegen Extremismus  im Koalitionsvertrag und setzt damit eine klare Priorisierung. Auch in der Praxis wurde diese deutlich als die neue Innenministerin Nancy Faeser bei Amtsantritt sagte, “Die größte Bedrohung für unsere Demokratie ist Rechtsextremismus”. Neben Rechtsextremismus, Islamismus und Linksextremismus wird auch Verschwörungsideologien eine klare Kampfansage gemacht. Damit werden Verschwörungsideologien als ernsthafte demokratiefeindliche Bedrohung eingeordnet, was wir sehr begrüßen. Auch der Kampf gegen Hass im Netz wird als solcher im Koalitionsvertrag genannt, was wir als Erfolg jahrelanger Arbeit der Initiativen und Organisationen in diesem Bereich sehen. Weiterhin ist “unter breiter Beteiligung” (S. 117) ein “Demokratiefördergesetz” geplant. Es bleibt fraglich, was das konkret bedeutet und wer hier einbezogen werden wird. Während wir die Ankündigung Projekte längerfristig zu fördern begrüßen, müssen die jeweiligen Träger gleichwohl dafür sorgen, unabhängig von staatlichen Stellen zu arbeiten, um den Eindruck zu vermeiden, staatliche Politik unter dem Mantel der Zivilgesellschaft zu betreiben. Eine kritische Distanz ist dabei unerlässlich. Das Bundesprogramm “Demokratie leben!”, durch welches auch wir finanziert werden, soll weitergeführt und die Fördermodalitäten vereinfacht werden. Hier wünschen wir uns eine Beteiligung Geförderter für ein möglichst zielführendes Ergebnis.

Digitale Gewalt und Regulierung der Sozialen Medien

Zum Thema Digitalisierung steht einiges im Koalitionsvertrag, vieles davon sind vage Formulierungen. Aus dem Text tritt hervor, dass die Gefahren digitaler Gewalt von der neuen Regierung endlich ernst genommen werden. Bei der geplanten europäischen Gesetzesinitiative für digitale Dienste (Digital Services Act oder DSA) möchte sich die neue Regierung für “die Wahrung der Kommunikationsfreiheiten, starke Nutzerrechte, klare Meldeverfahren, den Zugang zu Daten sehr großer Plattformen für Forschungszwecke, die Überprüfbarkeit ihrer algorithmischen Systeme sowie klare Regelungen gegen Desinformationen” (S. 17) einsetzen. Das ist lobenswert und geht in die richtige Richtung. Weiterhin sehen wir jedoch im aktuellen Entwurf auf europäischer Ebene eine Gefahr, da er lediglich ein internes Beschwerdesystem für Nutzer*innen vorsieht, deren Inhalte entfernt, deaktiviert oder anders eingeschränkt wurden. Die neue Regierung möchte sich außerdem dafür einsetzen, “anonyme und pseudonyme Online-Nutzung (zu) wahren” (S. 17) und lehnt eine allgemeine Identifizierungspflicht ab. Diese Aussage scheint ob der alarmistischen Rhetorik und pauschalen Forderungen zum Umgang mit unregulierten Kommunikationskanälen gleich zu Beginn ad absurdum geführt. Die Abwägung zwischen Informationsfreiheit und Strafverfolgung ist ein schmaler Grat und es liegt offensichtlich Bedarf in den Sicherheitsbehörden und Ministerien vor, sich neu zu orientieren und eine zeitgemäße Lösung in Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Akteuren zu finden. Den rechtlichen Rahmen für digitale Medien möchte die neue Regierung “grundlegend überarbeiten” (S. 17). Das beinhaltet auch die Anpassung des “Netzwerkdurchsetzungsgesetzes”, ein Prozess den wir intensiv begleiten werden.

Dazu ist ein Gesetz zu digitaler Gewalt geplant, das die rechtlichen Hürden für Betroffene abbauen soll. Damit wird nach Jahren harter und hartnäckiger Arbeit von Organisationen wie HateAid, Hassmelden, das NETTZ und den vielen anderen Initiativen und Organisationen der Zivilgesellschaft, die sich in diesem Feld engagieren, auf eine der wichtigsten Forderungen eingegangen. Auch diesen Prozess werden wir selbstverständlich genau beobachten und bleiben positiv gestimmt. Zusammenfassend ist zu sagen, dass wir in den angekündigten Vorhaben der neuen Bundesregierung einige Ansätze sehen, die wir begrüßen. Weiterhin sehen wir unsere Aufgabe darin, die weiteren Prozesse kritisch zu begleiten und stehen als Ansprechpartnerin gerne zur Verfügung. 
 

Foto Emine Aslan
Autor*in

Emine Aslan

(-/-) Online-Redakteur*in

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