Portrait

Kleiner 5 im Portrait: Mit radikaler Höflichkeit gegen Rechtspopulismus

Rechtspopulistische Aussagen begegnen uns in vielen Alltagssituationen - mit diesen Figuren sensibilisiert das Team von Kleiner 5 dafür
Rechtspopulistische Aussagen begegnen uns in vielen Alltagssituationen - mit diesen Figuren sensibilisiert das Team von Kleiner 5 dafür  |  © Leo Leowald / Tadel verpflichtet e.V.

Rechtspopulistische Parolen bestimmen zunehmend den öffentlichen Diskurs - in den Medien, in Gesprächen und seit ziemlich genau einem Jahr auch im Bundestag. Anhand weniger Themen werden toxische Narrative verbreitet, um Ängste zu schüren. Im Mittelpunkt stehen meist Geflüchtete und die Asylpolitik der Bundesregierung. Leider mit Erfolg - Hass und Hetze in Kommentarspalten, aber auch auf der Straße nehmen zu. Höchste Zeit, dass mehr Menschen dagegen vorgehen. Kleiner Fünf hat bereits vor der Bundestagswahl damit angefangen. Unter dem Verein Tadel verpflichtet e.V. bietet das Team Handlungsoptionen für Menschen, die gegen Rechtspopulismus aktiv werden wollen. Aktuell läuft ihre Gegenrede-Kampagne "Radikale Höflichkeit", die wir im Rahmen unseres Förderwettbewerbs auch als das NETTZ unterstützen und Euch hier vorstellen möchten.

Das Interview führte Nadine Brömme mit Johannes Gunesch. Er hat Kleiner Fünf im August 2016 mit gegründet, bis zur Bundestagswahl 2017 die inhaltliche Arbeit koordiniert und ist seither an der politischen Bildungsarbeit beteiligt.

Die Kampagne richtet sich vor allem an Menschen, die ein Problem mit rechtspopulistischer und -extremer Politik haben, denen aber bisher das Handwerkszeug fehlt, aktiv zu werden. Wir möchten sie motivieren und unterstützen, um gemeinsam Menschen zu erreichen, die offen für rechtspopulistische Parolen sind, aber noch kein geschlossenes Weltbild haben. Das betrifft zum Beispiel Protest- oder Nichtwähler*innen. Entschiedene AfD-Supporterinnen und -Supporter können und wollen wir dagegen nicht erreichen.
Johannes Gunesch
Mitgründer von Kleiner Fünf

“Radikale Höflichkeit” ist der Titel Eurer Kampagne, mit der Ihr Menschen dafür sensibilisieren wollt, respektvoll über brisante Themen zu sprechen. Wie kam es zu diesem Titel?
Gesellschaftliche Spaltungen werden immer tiefer. Das zieht sich durch soziale Netzwerke, ebenso wie unseren Alltag. Mit Höflichkeit möchten wir deshalb Gespräche eröffnen, indem wir einander zuhören und ernst nehmen, nachfragen und unsere Ansichten begründen. Und gleichzeitig erfordert unser demokratisches Miteinander ein positives Bekenntnis: Radikale Höflichkeit bedeutet daher nicht nur, Vielfalt anzuerkennen, sondern aktiv Position gegen Ausgrenzung und Hass zu beziehen.

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Wie sieht eine Gesellschaft aus, in der alle radikal höflich miteinander umgehen?
Radikale Höflichkeit ist natürlich auch eine positive Utopie. So erreichen wir noch viel weniger Menschen, als wir wollen. Und es gibt auch viele Schwierigkeiten in der Umsetzung: Wie genau streiten wir radikal höflich und wofür lohnt es sich, radikal höflich zu streiten? Gleichzeitig müssen wir das Rad ja nicht neu erfinden. Radikale Höflichkeit möchte einen respektvollen Umgang. Aber gerade online ist das noch ein weiter Weg, da werden oft Sachen gesagt, die man sich im persönlichen Gespräch nicht trauen würde. Trotzdem: Ein guter Start beinhaltet zweierlei: Sich zu fragen, wie wir zusammenleben möchten. Und dann gemeinsam nach Antworten zu suchen, wie wir die Konflikte und Probleme, die unser Zusammenleben beinhaltet, austragen können, ohne dabei Menschen auszugrenzen.

Wann stößt man mit radikaler Höflichkeit an Grenzen?
Es ist ein wichtiger Bestandteil radikaler Höflichkeit, Grenzen zu ziehen. Denn wir wollen Gespräche führen, aber nicht um jeden Preis. Manchmal ist es besser, ein Gespräch abzubrechen. Oder es gar nicht erst anzufangen, wenn das Gegenüber nur provozieren will und Menschen beleidigt. Statt sich auf eine Diskussion einzulassen, sollte man sich davon deutlich abgrenzen. Das kann mit radikaler Höflichkeit auch gut begründet werden: Denn Meinungsfreiheit bedeutet eben nicht, rücksichtslos rumzupöbeln. Zur demokratischen Auseinandersetzung gehört es daher auch, Provokationen, Hassrede und Menschenfeindlichkeit deutlich zu widersprechen.

Meinungsfreiheit bedeutet eben nicht, rücksichtslos rumzupöbeln. Deshalb ist es ein wichtiger Einsatz für Meinungsfreiheit, diesen Pöbeleien zu widersprechen.
Johannes Gunesch
Mitgründer von Kleiner Fünf

Wie lange läuft Eure Kampagne bereits und welche Laufzeit plant Ihr?
Im Juni ging’s los. Mittlerweile haben wir bereits 16 Beiträge und Videos veröffentlicht, die das Prinzip der radikalen Höflichkeit illustrieren. 15 weitere Posts sind bis Ende Oktober geplant, darunter neben einer Übersicht rechtspopulistischer Gesprächsmuster auch eigene Themen und Positionen, für die wir radikal höflich streiten wollen.

An wen richtet Ihr Euch mit dieser aktuellen Kampagne, an wen nicht?
Die Kampagne richtet sich vor allem an Menschen, die ein Problem mit rechtspopulistischer und -extremer Politik haben, denen aber bisher das Handwerkszeug fehlt, aktiv zu werden. Sie möchten wir motivieren und unterstützen, um gemeinsam Menschen zu erreichen, die offen für rechtspopulistische Parolen sind, aber noch kein geschlossenes Weltbild haben. Das betrifft zum Beispiel Protest- oder Nichtwähler. Entschiedene AfD-Supporterinnen und -Supporter können und wollen wir dagegen nicht erreichen.

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Wann ist die Kampagne für Euch erfolgreich?
Für die Vorbereitung der Kampagne haben wir ein aufwendiges User-Research durchgeführt. Dabei haben wir mit über 100 Menschen über deren Erfahrungen im Umgang mit Rechtspopulismus gesprochen – und darüber, wie wir dabei unterstützen können. Zwei Punkte wurden immer wieder betont ...

Zunächst wünschen sich viele Menschen, das Gefühl der eigenen Überforderung und Sprachlosigkeit zu überwinden, das rechtspopulistische Parolen oft auslösen. Und sie möchten Betroffene rechtspopulistischer Anfeindungen unterstützen und damit mehr Menschen zum Einsatz für unser demokratisches Miteinander anregen.
Johannes Gunesch
Mitgründer von Kleiner Fünf

Wenn wir durch unsere Kampagne zu diesen beiden Punkten beitragen können, dann wäre das ein großer Erfolg.

Welche Erfahrungen habt Ihr bisher im Rahmen der Kampagne gemacht?
Mittlerweile haben wir mit unseren Beiträgen fast eine halbe Million Menschen erreicht und 2000 Kommentare erhalten. Darunter sind neben Lob, konstruktiver Kritik und kritischen Nachfragen auch immer wieder Pöbelkommentare und gezielte Provokationen. So versuchen einige wenige User*innen die Debatten auf unseren Seiten zu beeinflussen, während die große Mehrheit zwar interessiert, aber eher zurückhaltend ist. Wir müssen daher überlegen, wie wir radikale Höflichkeit für die demokratische Gegenrede besser anwenden und vermitteln können, on- ebenso wie offline. Das Gute dabei ist: Online herrscht zwar oft ein rauer Ton, das schärft aber gleichzeitig das Profil von radikaler Höflichkeit. Diese Sensibilität wollen wir daher auch in den Alltag übertragen, wo man oft nicht so genau weiß, wie man sich radikal höflich verhalten soll.

Auf welche Herausforderungen stoßt Ihr?
Gerade mit Blick auf die demokratische Gegenrede gibt es einige Herausforderungen: Viele Leute trauen sich (noch) nicht, radikal höflich zu diskutieren - oder halten es für aussichtslos, insbesondere online. Rechtspopulist*innen schreien Zensur, wenn ihren Anfeindungen widersprochen wird. Wie also können wir diesen bewussten Missbrauch von Meinungsfreiheit deutlich machen? Und wie den Beitrag von radikaler Höflichkeit zur demokratischen Auseinandersetzung hervorheben? Wenn Rechtspopulist*innen nur von Flucht und Migration sprechen, wie können wir eigene Themen dagegen setzen, ohne selbst Themenhopping zu betreiben? Wie kann es uns besser gelingen, Debatten zu beeinflussen, ohne rechter Stimmungsmache hinterherzueifern, wie es derzeit überall passiert? Und wie können wir dafür Menschen ansprechen, wenn deren Sorgen durch Angstmacherei und Menschenfeindlichkeit instrumentalisiert werden?

Was hat Euch bei der Umsetzung der Kampagne besonders geholfen?
Wir arbeiten zum größten Teil ehrenamtlich. Wir finanzieren uns vor allem durch Spenden. Für einzelne Projekte bekommen wir auch gezielte Unterstützung. Für diese Kampagne haben wir zum Beispiel von Das NETTZ Gelder für die Produktion von Videos bekommen, die das Prinzip der radikalen Höflichkeit illustrieren. Bei den Videodrehs haben uns ehrenamtliche Schauspieler*innen unterstützt. Wir erhalten außerdem fachlichen Beistand durch das Institute for Strategic Dialogue. Und durch die Online Civil Courage Initiative werden wir mit Werbebudget für unsere Beiträge unterstützt. Ein großer Dank gilt außerdem den Teilnehmer*innen an unserem User-Research, das dieser Kampagne zugrunde liegt. Und natürlich allen User*innen, die sich daran beteiligen.

Ausgezeichnet - Kleiner 5 hat beim diesjährigen NETTZ-Förderwettbewerb mitgemacht und Unterstützung für die nächsten Projekte gewonnen. Andere Gewinner sind #ichbinhier, "Diskutier Mit Mir" und "Fakten gegen Rechts"
Ausgezeichnet - Kleiner 5 hat beim diesjährigen NETTZ-Förderwettbewerb mitgemacht und Unterstützung für die nächsten Projekte gewonnen. Andere Gewinner sind #ichbinhier, "Diskutier Mit Mir" und "Fakten gegen Rechts"  |  © Jörg Farys / Die Projektoren

Wo wünscht Ihr Euch Unterstützung?
Die aktive Gegenrede benötigt viel mehr Unterstützung. Das ist natürlich aufwendig und auch manchmal ganz schön nervig, um ehrlich zu sein. Doch unser Social Media Team leistet tolle Arbeit. In vielen Kommentaren und Antworten macht es deutlich, wie radikale Höflichkeit funktioniert und was es bringt. Es wäre daher toll, wenn diesem Beispiel noch mehr Menschen folgen und sich in Kommentarspalten beteiligen könnten. Ebenso sehr freut es uns natürlich, wenn unsere politische Bildungs- und Kampagnenarbeit unterstützt wird, zum Beispiel durch Spenden oder eine Mitgliedschaft in unserem Trägerverein Tadel verpflichtet!.

Welche Learnings könnt Ihr anderen für die Umsetzung einer Gegenrede-Kampagne mitgeben?
Was die Praxis der Gegenrede anbelangt, lernen wir unweigerlich, wie herausfordernd es ist, radikal höflich zu bleiben. Gleichzeitig merken wir, wie wichtig es ist, dass wir uns von Hetze und Trollen nicht in die Ecke treiben lassen. Unserer Community sollten wir daher gemeinsam zeigen, wie man sich im Alltag dagegen behaupten kann. Für die Durchführung einer Kampagne ist weniger definitiv mehr:

  • Lieber weniger Beiträge, dafür aber knackige Inhalte. Vermittelt den Leuten, was an Eurem Ansatz besonders ist!
  • Wenn die Beiträge gut laufen, können sie gerne mit mehr Geld beworben werden. So steigt die organische ebenso wie die bezahlte Reichweite.
  • Außerdem hilft der Bezug auf aktuelle Themen und Ereignisse. Das stößt auf großes Interesse und ihr könnt gleichzeitig Eure eigenen Ansätze verbreiten.
  • Unsere Kampagnenseite auf der wir alle Inhalte zusammengefasst haben, hat uns dabei auch sehr geholfen.

Welche Projekte plant Ihr nach der Gegenrede-Kampagne?
Wir stecken momentan schon voll in der Konzeption einer Aktion im Zuge der Bayernwahl. Außerdem planen wir eine Kampagne zur Europawahl nächstes Jahr. Für unsere Bildungsarbeit entwickeln wir zudem Workshop-Angebote und schreiben sogar gerade ein Buch über radikale Höflichkeit, das an Schulen genutzt werden wird. Das alles läuft bisher größtenteils ehrenamtlich und unentgeltlich. Gleichzeitig werden wir immer mehr Aktive und die Aufgaben nicht weniger. Um unsere Bildungs- und Kampagnenarbeit langfristig auf sichere Beine zu stellen, sind wir daher gerade viel mit Community-Management und Fundraising beschäftigt.

Wie können Einzelne bei Euch mitmachen?
Unsere Facebook- und Internetseite sind super Anlaufstellen: für Informationen über uns, alle Mitmachmöglichkeiten und den direkten Austausch. Wer will, kann sich in unseren Newsletter eintragen, um von den verschiedenen Aktionen zu erfahren, die wir an unterschiedlichen Orten in ganz Deutschland immer wieder durchführen. Wer Zeit und Lust für mehr hat, kann auch aktives Vereinsmitglied werden. Alle anderen, die nicht so viel Zeit haben, unsere Arbeit aber dennoch unterstützen möchten, können Fördermitglied werden. Oder natürlich gezielt für einzelne Projekte spenden.

Viele Leute stecken hinter Kleiner 5 - sie arbeiten ehrenamtlich und gemeinnützig
Viele Leute stecken hinter Kleiner 5 - sie arbeiten ehrenamtlich und gemeinnützig  |  © Hewád Laraway

Möchtet Ihr sonst noch etwas loswerden?
Irgendwie ist die Situation momentan sehr besorgniserregend. Wir versuchen unser Bestes. Aber können wir es dabei lassen? Wollen wir das? Wir arbeiten so gut wir können, aber unsere Mittel sind beschränkt. Und wir machen Fehler. Über Unterstützung freuen wir uns daher immer sehr. Das geht z.B. über unsere Spendenaktion bei betterplace. Bei Fragen, Interesse, aber auch Kritik – meldet Euch gerne.

Vielen Dank für das Interview!

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