Förderprogramm

Förderwettbewerb 2018: Vier ausgezeichnete Projekte gegen Hass

Ausgezeichnet: Vier starke Projekte für eine konstruktive Debattenkultur sind Fakten gegen Rechts; Diskutier Mit Mir e.V.; #ichbinhier und Kleiner Fünf
Ausgezeichnet: Vier starke Projekte für eine konstruktive Debattenkultur sind Fakten gegen Rechts; Diskutier Mit Mir e.V.; #ichbinhier und Kleiner Fünf  |  © Jörg Farys

Beim Umgang mit Hate Speech erleben wir eine sehr aktive Zivilgesellschaft mit vielen spannenden Initiativen gegen Hass und Hetze. Die Umsetzung wird zum Großteil ehrenamtlich geleistet. Um diese wertvolle Arbeit und auch neu hinzukommende Ideen größer zu machen, vergeben wir einmal jährlich insgesamt 20.000 Euro an vielversprechende Projekte. Für unseren Förderwettbewerb haben wir in diesem Jahr 17 sehr gute Bewerbungen erhalten.

Projekte mit der größten Wirkung
Es ist keine leichte Aufgabe, die Projekte mit der größten Wirkung zu identifizieren. Das können gemeinsame Aktionen sein oder Ideen, die auch anderen Initiativen Mehrwerte bieten. Durch engere Zusammenarbeit können wir noch viel mehr bewirken. Unsere Jurymitglieder Nina Mühe (Projektleiterin CLAIM, Junge Islam Konferenz), Matthias Quent (Direktor des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena) und wir haben alle Bewerbungen gemäß der Kriterien Wirkungspotential, Wirtschaftlichkeit, Realisierbarkeit, Innovation, Übertragbarkeit/Nachhaltigkeit, thematischer Bezug zu Hate Speech/positive Debattenkultur geprüft. Zehn Projekte durften ihre Ideen bei unserem Community Event vorstellen.

In der zweiten Runde entschieden die Teilnehmenden unseres Community Events durch ein Community Voting, welche Projekte gefördert werden sollen. Uns war es dabei wichtig, dass alle gemeinsam entscheiden, welche Projekte durch die Förderung für die nächsten sechs Monate die größte Wirkung im Vorgehen gegen Hate Speech erzielen können. Die vier preisgekrönten Projekte möchten wir Euch hier vorstellen.

#ichbinhier mit Hatecontrol: "Stellt Euch vor, es ist Shitstorm und keiner geht hin."

Philip Kreißel stellt "Hatecontrol" von #ichbinhier vor
Philip Kreißel stellt "Hatecontrol" von #ichbinhier vor  |  © Jörg Farys

Das Projekt "Hatecontrol" soll Betreibern von Facebook-Seiten ermöglichen, die Kommentarspalten ihrer Posts temporär zu schließen. Facebook bietet dieses Feature von Haus aus nicht an. Trollarmeen können ungehindert Kommentarspalten mit Hasskommentaren füllen - Shitstorms dauern an. Besonders ehrenamtlich arbeitende Teams zur Seitenbetreuung sind in solchen Momenten mit der Moderation überfordert: Sie müssen jeden Hass-Kommentar lesen, was eine psychische Belastung darstellt. Zudem sind Shitstorms ab einer bestimmten Größe nicht mehr moderierbar, da die Flut der (Hass- )Kommentare auch mit mehreren Moderator*innen nicht zu bewältigen ist. Als letztes Mittel werden betroffene Posts gelöscht oder Seiten ausgeblendet. Dies bedeutet aber einen Einschnitt in die Meinungsfreiheit und auch ein Einknicken vor dem Hass.

Um Shitstorms besser moderieren zu können, möchte #ichbinhier das Tool „Hatecontrol“ entwickeln. Dieses soll Seitenbetreibern ermöglichen, ab einem bestimmten Zeitpunkt alle neueren Kommentare automatisiert zu löschen. Jeder Seitenbetreiber kann das Tool gratis nutzen, unabhängig von politischer Ausrichtung. Wir geben damit allen die Kontrolle über ihre Facebook-Seiten zurück und fördern einen Stil politischer Auseinandersetzung, der sich weniger an der Größe der Trollarmee orientiert und eher auf konstruktive Argumente eingehen kann.

Wirkungsziel: Hatecontrol stärkt die Meinungsfreiheit, da es den Moderator*innen die Kontrolle über ihre Kommentarspalten zurückgibt. Wenn Shitstorms ihren Zweck „Schrecken verbreiten“ nicht mehr erfüllen, verliert das Instrument für Extremisten an Attraktivität und die Beteiligten sind gezwungen sich sinnvolleren Formen des Diskurses zuzuwenden.

Was uns besonders freut, ist, dass diese Projektidee auf dem “Hack Day for Good” entstand, den Das NETTZ Ende Juni gemeinsam mit einer kleinen Gruppe von Entwickler*innen, Analyst*innen und Aktivist*innen durchführte. Ziel war die Entwicklung von innovativen technischen Lösungen gegen Hass und Hetze im Netz.

Mensch Mensch Mensch e.V. mit Fakten gegen Rechts - Für die Hosentasche!

Hannah Neumann stellt "Fakten gegen Rechts" vor
Hannah Neumann stellt "Fakten gegen Rechts" vor  |  © Jörg Farys

Das Projekt Fakten gegen Rechts möchte allen, die sich an der Gegenrede gegen Rechts beteiligen wollen, Fakten für die Gegenargumentation liefern: Alle an einer Stelle und nicht zum Selber suchen. Originell und nicht trocken. Auf 280 Zeichen und nicht in Romanform. Mit Liebe und Humor gegen Hass und platte Parolen. Und auch die, die selber manchmal falschen Infos aufsitzen, dürfen sich gerne informieren. Sagt das nächste mal jemand: "Deutschland besteht ja auch fast nur noch aus Muslimen!", dann hilft ein Klick auf www.fakten-gegen-rechts.de und die Themen Religion oder Zuwanderung. Und schon finden sich klar verständliche Fakten, originelle Grafiken und weitere Quellenangaben; zum Teilen im Gespräch, auf Facebook und bei Twitter.

Bisher kann man die Fakten nur auf der Webseite abrufen. Nun soll eine mobile Lösung über WhatsApp und Facebook- Messenger her, die drei Dinge kann: 1. Fakt des Tages auf Dein Handy, 2. Passender Fakt auf Anfrage (automatisiert über Stichpunkte) und 3. zusenden von Fakten durch Nutzende. Dazu muss ein automatisierter Chatbot programmiert und betreut werden.

Wirkungsziel: Wer Fakten hat, mischt sich lieber in Diskussionen ein - weil er/sie eine gute Gegenrede hat. Wenn mehr Menschen Fakten-basiert diskutieren, versachlicht sich der Diskurs. Erreicht werden zwar nicht die Hater*innen, aber die, die sich von Hater*innen allzu leicht beeinflussen lassen.

Diskutier Mit Mir e.V. - Demokratieförderung durch digitalen Dialog

Louis Klamroth im Gespräch über Diskutier Mit Mir
Louis Klamroth im Gespräch über Diskutier Mit Mir  |  © Jörg Farys

Diskutier Mit Mir war bereits 2017 unter den Gewinner-Projekten und hier haben wir über ihre umgesetzte Projektidee berichtet. Worum ging es dieses Jahr? Um Transfer! Die bestehende technische Infrastruktur soll weiterentwickelt werden, sodass sie einfach und ohne große technische Vorkenntnisse von anderen Initiativen für eigene Diskussions-Projekte genutzt werden kann. Ein erster Prototyp wird bis März 2019 fertig entwickelt. Ab Juli 2019 kann dieser dann anderen Initiativen zur Verfügung gestellt werden. So können einzelne Events und Projekte mit dem Tool begleitet werden, um einen konstruktiven Dialog zu erleichtern.

Durch 1:1 Chats werden Meinungsblasen zum Platzen gebracht und eine konstruktive und deeskalierende Gesprächssituation ermöglicht. Die Auswertung der bisherigen Arbeit zeigt: 1:1 Chats sind nicht attraktiv für Trolle und es kommt seltener zu Hate Speech, da der Dialog in Schutzräumen und ohne Publikum stattfindet. So mussten bei Diskutier Mit Mir in 20.000 Gesprächen vor der Bundestagswahl nur drei Nutzer*innen gesperrt werden. Diese positive Entwicklung wird wahrscheinlich auch bei von anderen Initiativen durchgeführten Diskussions-Projekten beobachtbar sein.

Wirkungsziel: Das Projekt schafft geschützte virtuelle Räume innerhalb einer polarisierten digitalen Öffentlichkeit. Wir zeigen gemeinsam als Community, dass Online-Diskussionen zu kontroversen Themen nicht automatisch zu Hate Speech und Beleidigungen führen müssen. So tragen wir zur Deeskalation und einer positiven Debattenkultur bei und geben den digitalen Raum nicht verloren.

Kleiner Fünf / Tadel verpflichtet mit Radikaler Höflichkeit gegen Rechtspopulismus

Lore Kurtz und Barbara Djassi präsentieren "Radikale Höflichkeit gegen Rechtspopulismus"
Lore Kurtz und Barbara Djassi präsentieren "Radikale Höflichkeit gegen Rechtspopulismus"  |  © Jörg Farys

Und auch Tadel verpflichtet war 2017 unter den Gewinner-Projekten. Worum ging es jetzt? Auf Grundlage des bestehenden Workshop-Angebots der Kampagne Radikale Höflichkeit soll eine Webinar-Reihe erarbeitet werden: Sie umfasst 12 Webinare, die von Oktober 2018 bis März 2019 entwickelt und technisch aufbereitet werden. Inhalte: „Radikale Höflichkeit“, rechtspopulistische Sprachmuster, argumentatives Re-Framing, strategische Vernetzung (jeweils 3 Webinare).

„Radikale Höflichkeit“ heißt: Hitzige Gespräche respektvoll führen und aktiv Position gegen Hass und Ausgrenzung beziehen. Vermittelt wird eine persönliche wie sachliche, auf das Gegenüber eingehende und dennoch klar Grenzen setzende Haltung. So können konfrontative und eingefahrene Verhaltensmuster aufgebrochen und Menschen zum Nachdenken angeregt werden, die aus Unsicherheit oder Protest rechtspopulistische Parolen übernehmen. Dazu werden Werte vermittelt, für die es sich “radikal höflich” zu streiten lohnt: Gleichwertigkeit, Teilhabe und gerechte Internationalität.

Wirkungsziel: Mit Argumentationshilfen und Aktionsvorschlägen Menschen befähigen, sich “radikal höflich” für demokratische Teilhabe einzusetzen. Konkret geht es darum, demokratische Debattenkultur on- und offline zu gestalten, indem Menschen ermutigt werden, auch heikle Gespräche zu suchen, um rechtspopulistische Parolen zu entkräften und progressive Alternativen zu vermitteln. Die Idee der “radikalen Höflichkeit” soll dazu beitragen, dass Menschen trotz politischer Differenzen miteinander ins Gespräch kommen und dabei aktiv Haltung gegen Hass und Ausgrenzung beziehen.

Ein großer Applaus für alle!

Galerie der Finalist*innen des Förderwettbewerbs 2018
Galerie der Finalist*innen des Förderwettbewerbs 2018  |  © Jörg Farys

Ein kräftiger Applaus geht an alle Teilnehmenden für ihre großartigen Ideen. Ganz besonderer Dank gilt den Finalist*innen: Die Projekt-Teams von der Servicestelle Jugendbeteiligung mit ihrem Projekt Retweet GegenSlam, Fearless Democracy mit ihrem Projekt HateAid, TraceMap, Design Democracy, Evangelische Akademie zu Berlin mit ihrem Projekt Netzteufel und Wir für Mattstedt - Kein Ort für Nazis.

Ebenso danken wir Netzcourage, Migration Matters, Agency for open Culture & Critical Transformation, Heilsames Miteinander Mensch & Natur e.V., Schlaglicht e.V., Salon in Gesellschaft sowie dem Verband der Debattierclubs an Hochschulen e.V. für ihre Einreichungen und ihre wertvolle Arbeit im Kontext einer konstruktiven Gesprächskultur.

Auf in die nächste Runde!
Der Förderwettbewerb vom NETTZ fand 2018 zum zweiten Mal statt und geht 2019 in eine weitere Runde. Wir planen die nächste Ausschreibung für April oder Mai 2019. Genauere Informationen erfahrt Ihr zu gegebener Zeit hier oder über unseren Newsletter, für den Ihr Euch hier anmelden könnt.

Foto Hanna Gleiß
Autor*in

Hanna Gleiß

(sie/ihr) Co-Gründerin / Co-Geschäftsführerin


 

zum Newsletter
Newsletter-icon

Du willst zum Thema "Hass im Netz"
auf dem Laufenden bleiben?

Dann abonniere unseren
DAS NETTZ-Newsletter.